"Wenn der Wind jagt, jagt der Jäger nicht" ist nur eines von vielen Sprichwörtern, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Erfolgsaussichten bei der Jagd und den Wetterverhältnissen beschäftigt. Dabei ist es hier nicht einmal der Wind selbst, den das Wild nicht mag, vielmehr gibt es eine Korrelation zwischen der Aktivität des Wildes und dem Wetter - und der Wind ist nur ein Faktor. Generell muss sich das Wild auf seine Sinne verlassen, um seine Umwelt optisch, akustisch und olfaktorisch zu erfassen und mögliche potenzielle Gefahren wie den Menschen oder Raubwild erkennen und einschätzen zu können. Werden die Sinne aber durch Wetter gestört, bleibt das Wild passiv und bewegt sich nicht viel. Regen, Sturm, Nebel, trockene Hitze und anderes schränken die Leistungsfähigkeit der Sinnesorgane des Wildes ein. Lautes Wetter wie Starkregen oder Sturm zum Beispiel übertönen Laute von potenziellen Gefahren, das Wild kann diese viel schlechter wahrnehmen und wird heimlicher. Trockene Hitze und auch Sturm können darüber hinaus den Wildfang bzw. die Nase des Wildes austrocknen und die Leistungsfähigkeit dieses Organs somit drastisch mindern. Ein leichter Landregen hat dagegen wenig Einfluss auf das Wild. Meist ist es der Jäger, der Regen nicht mag - das Wild hat kein Problem damit, auch einmal nass zu werden. Aber auch Großwetterlagen wirken sich auf die Aktivität des Wildes aus, besonders in bestimmten Phasen wie zum Beispiel in der Brunft oder der Ranz.
Der Luftdruck als Faktor für die Aktivität des Wildes
Sehr wenig erforscht, aber sehr relevant für das Verhalten des Wildes ist der Luftdruck. Die wenigen Studien, die es hierzu gibt, zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen Luftdruckänderungen und Aktivitätszyklen des Wildes. Stabiler Luftdruck hat laut diesen Studien wenig Einfluss auf das Verhalten des Wildes, große Aktivitätsphasen wurden aber einen bis zwei Tage vor einem Luftdruckwechsel festgestellt. Studien, die von mir mit Waschbären durchgeführt wurden, belegen dies deutlich. Warum Tiere kurz vor einem Wetterwechsel erhöhte Aktivität zeigen, ist noch weitestgehend unerforscht.
Die Blattzeit des Rehwildes: Ein Spiegelbild des Wetters
Auch wenn das Wetter keinen Einfluss auf den Beginn der Rehwild-Brunft hat, ist ihre tageszeitliche Intensität aber durchaus wetterabhängig. Besonders vielversprechend ist die Blattjagd, also die Lockjagd auf den brünftigen Rehbock, in den Morgenstunden bei warmem, feuchtem Wetter, im Idealfall nach einem Sommergewitter. Bei solchen Wetterbedingungen brunften die Böcke besonders aktiv und stehen gut auf die Laute des Jägers zu. Zu kaltes Wetter während der Blattzeit ist dagegen eher hemmend.
Rotwildbrunft: Heiß, wenn es kalt ist
Bei der Rotwildbrunft, die etwa Mitte September beginnt und bis in den Oktober reicht, ist es dagegen genau umgekehrt. Ist es zur Brunft am Abend und frühen Morgen zu warm, geht diese eher schleppend und verhalten los. Werden die Nächte aber kalt und klar, am besten mit Temperaturen dicht an der Gefriergrenze, kommt die Brunft so richtig in Fahrt und entfaltet ihre volle Pracht. Röhrende, brünftige Hirsche schmettern sich Kampfansagen entgegen, die Kontrahenten gehen hormongesteuert aufeinander los und kämpfen um ihre Harems. Dies kann sich der Jäger zu Nutze machen, die Ruflockjagd auf den Rothirsch ist eine der anspruchsvollsten, aber auch begeisterndsten Jagdarten überhaupt.
Hasen, Füchse und anderes Wild: Thermoregulation und gefühlte Temperatur
Starkregen zählt für den Jäger zu den größten Negativfaktoren, besonders, wenn er über längere Zeit anhält. Beginnt es aber nach einer längeren Regenperiode aufzuklaren, kommt das Wild ebenso auf die Läufe wie beim sanft einsetzenden Regen nach einer Hitzeperiode. Da wir aber das meiste Wild vom Herbst bis in den Winter hinein bejagen, ist dies zum Glück meist nicht so häufig. Für die Raumnutzung der Wildarten spielt die Thermoregulation eine entscheidende Rolle, wesentlich sind Windstärke und Temperatur. Auch in den Wetternachrichten wird zunehmend auf die "Windchill-Temperatur", die gefühlte Temperatur hingewiesen.
Dies zu wissen, hilft auch bei der Wahl der Jagdbekleidung. In der Praxis kann man immer wieder beobachten, dass sich bei "schönem Wetter" mancher Jäger zu leicht kleidet. Bei mittlerem Wind in den Hochlagen von Sauerland und Eifel unterschätzen viele, dass bei Außentemperaturen von 15 °C und einer Windgeschwindigkeit von 20 km/h die gefühlte Temperatur bereits im Frostbereich liegt. Wild reagiert stark auf Temperaturen: Ist es zu kalt, zieht Wild in windgeschützte, sonnige Regionen im Revier, ist es zu warm, versucht Wild, sich in schattigen, windigeren Höhenlagen aufzuhalten. Wer das als Jäger weiß, der wird auf der Jagd erfolgreich sein.